Chicken, Northpole & Fairbanks

Gestern hatten wir zunächst nicht viel Glück mit dem Wetter, aber heute Morgen sah es schon vielversprechender aus. Als ich gegen kurz nach 7 Uhr aus dem Fenster schaute, erlebte ich einen atemberaubenden Sonnenaufgang und dazu noch den Vollmond. Es sah wirklich wunderschön aus. Um halb acht saßen wir dann bei Fast Eddy’s und frühstückten, und um kurz nach acht waren wir bereit, gen Osten zu starten.

Unser eigentliches Tagesziel, Fairbanks, befand sich zwar in die entgegengesetzte Richtung, aber wir hatten einen kleinen Abstecher geplant – nach „Chicken“.

Und warum? Nun ja, der Ortsname allein ist schon ziemlich cool, oder? Also fuhren wir auf dem Highway 2 etwa 12 Meilen bis zur Tetlin Junction und bogen dann auf den Taylor Highway ab, der uns nach Chicken und sogar weiter nach Kanada führen würde. Allerdings schließt die kanadische Grenze normalerweise um den 15. September herum, während der Taylor Highway bis zum 15. Oktober geöffnet bleibt. Danach wird er nicht mehr geräumt und darf nur noch von Schneemobilen befahren werden. Chicken wird dann zur Geisterstadt. Da Kanada also bereits geschlossen hatte, beschränkten wir uns auf Chicken. Und hey, der Name allein reichte, um unsere Neugier zu wecken!

Nachdem wir von der Tetlin Junction gestartet waren, erreichten wir nach 106 Kilometern den kleinen Ort Chicken. Die ersten 80 Kilometer waren asphaltiert, danach wurde die Straße zur Schotterpiste. Auf unserem Weg nach Norden durchquerten wir eine hügelige, dicht bewaldete und menschenleere Landschaft, bis wir schließlich den Yukon River erreichten. Kurz darauf erreichten wir Chicken. Aber hier war wirklich niemand außer uns. Chicken schien bereits im Winterschlaf zu sein.

Wir fuhren langsam durch das kleine Dorf, und ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass hier im Sommer eine Menge los ist. Es gab zwei Wohnmobilparks, zwei Cafés, Souvenirläden, einen Saloon und sogar zwei Tankstellen. Ursprünglich hatten wir ein Zimmer in einem der Motels gebucht, aber da wir unsere Route ein wenig geändert hatten, hatten wir die Reservierung wieder storniert. Jetzt, während ich in diesem verlassenen Örtchen stand, fragte ich mich, ob vielleicht irgendjemand wegen uns beiden hier geblieben wäre. Nun ja, es schien so zu sein.

Im Sommer wird hier auf jeden Fall immer noch (mehr oder weniger erfolgreich) nach Gold gesucht. Chicken ist und bleibt ein Goldgräberstädtchen, das sich im Laufe der Jahre kaum verändert hat. Und wer weiß, vielleicht würden wir beim nächsten Besuch im Sommer noch Zeugen des Goldrausches werden!

Und wie zur Hölle kommt man auf die Idee, einen Ort „Chicken“ zu nennen?!

Gut, in den späten 1800ern waren hier jede Menge Goldsucher unterwegs, die dieses Gebiet durchstreiften. Ihr Hauptnahrungsmittel? Die Vögel, die sie aus der Region jagten – die Ptarmigans, eine Art Alpenschneehuhn. Als die Idee zur offiziellen Stadtgründung 1902 aufkam, wurde der Name „Ptarmigan“ für diesen Ort vorgeschlagen und schließlich gewählt.

Das Problem war nur, dass „Ptarmigan“ nicht nur schwer auszusprechen, sondern auch verdammt schwer zu schreiben ist. Irgendjemand muss dann auf die geniale Idee gekommen sein, „Chicken“ sei viel einfacher, also wurde einfach mal der Name geändert. Und so wurde aus einem Ort, der nach einem Vogel benannt wurde, ein Ort namens „Hühnchen“. Ja, manchmal sind die Geschichten hinter Ortsnamen genauso kurios wie die Orte selbst.

Mit ungefähr 50 Einwohnern im Sommer und nur sechs im Winter ist Chicken sicherlich nicht der bevölkerungsreichste Ort in Alaska. Nachdem wir ein paar Fotos gemacht hatten und uns vergewissert hatten, dass wirklich niemand außer uns wach war, beschlossen wir, den Rückweg anzutreten.

Da es keine wirkliche Alternative gab, fuhren wir denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Gegen 11:30 Uhr waren wir wieder in Tok, wo wir kurz tankten, bevor es auf dem Alaska Highway, auch bekannt als Highway 2, weiter Richtung Westen ging.

Die Fahrt bis nach Delta Junction entpuppte sich als ziemlich eintönig, aber hey, das Wetter spielte mit, und hin und wieder wurden wir von atemberaubenden Ausblicken auf die umliegenden Berge belohnt. Man könnte sagen, es war wie ein Spiel aus „Berge, Berge, wo sind die Berge?“ mit gelegentlichen Überraschungen.

Stefan und ich begannen, uns gegenseitig Rätsel darüber aufzugeben, was wir wohl als nächstes am Horizont sehen würden. „Ich wette, es sind Berge“, sagte Stefan und grinste. Ich lachte und stimmte zu, aber tief in meinem Inneren hoffte ich auf eine Herde wilder Elche, an uns vorbeirasten, um die monotone Landschaft aufzulockern. Nun ja, vielleicht nächstes Mal.

Jedenfalls zogen die Kilometer weiter vorbei, und wir fragten uns, ob Delta Junction unsere Erwartungen auf irgendeine Weise übertreffen könnte. Würde uns die Stadt mit einer überraschenden Attraktion begrüßen, oder würden wir einfach nur ein weiteres Tankstellenschild sehen? Wir waren gespannt auf das, was der Rest des Tages für uns bereithielt.

Die Suche nach einem geeigneten Restaurant in Delta Junction erwies sich als echte Herausforderung. Wir fuhren durch die Stadt und suchten nach einem gemütlichen Ort, um uns vor der Weiterfahrt zu stärken, aber es schien, als hätte Delta Junction beschlossen, sich vor uns zu verstecken.

Unsere Bäuche knurrten, doch alles, was wir fanden, waren verwaiste Straßen und geschlossene Türen.

Schließlich bogen wir auf den Richardson Highway ab, eine Straße, die uns bereits vertraut war, und hofften auf bessere Essensmöglichkeiten. Unser Glück schien sich zu wenden, als wir einen Souvenirshop entdeckten. Die freundliche Verkäuferin empfahl uns das „Alaskan Steak House“ und erklärte, dass es nur wenige Meter weiter die Straße entlang lag. Das Steakhouse behauptete stolz, die besten Steaks in Alaska zu servieren, aber zu dieser Tageszeit schien uns ein Steak doch etwas zu viel des Guten.

Wir entschieden uns stattdessen für Sandwiches und Chicken Wings, und hofften, dass die Mahlzeit unsere leeren Mägen zufriedenstellen würde. Schließlich konnte Delta Junction uns nicht für immer hungrig halten!

Gestärkt von unserem Essen verließen wir den unspektakulären Ort Delta Junction. Doch kurz nachdem wir die Stadtgrenzen hinter uns gelassen hatten, unterbrachen wir unsere Fahrt erneut. Am Tanana River spannte sich die majestätische Alaska Pipeline über den Fluss, und wir konnten einfach nicht widerstehen, diese beeindruckende Konstruktion zu fotografieren. Es war eine dieser Gelegenheiten, die man einfach nicht verpassen durfte – ein Moment, den wir für immer in Erinnerung behalten wollten. 

Nach einer rund 80 Meilen langen und anderthalbstündigen Fahrt erreichten wir schließlich North Pole. Doch leider hatten wir den strahlend blauen Himmel, den wir zuvor auf unserer Reise genossen hatten, irgendwo auf der Strecke verloren. Anstelle des sonnigen Wetters empfing uns ein trübes, graues Ambiente, als wir vor dem Santa Claus House ankamen. Hier, so behauptet man, residiert der Weihnachtsmann höchstpersönlich und startet von hier aus jedes Jahr auf seinem Rentierschlitten, um Geschenke in die ganze Welt zu verteilen. Ein wirklich beeindruckender Gedanke!

Die Gründung des Ortes geht auf das Jahr 1944 zurück, und der Name „North Pole“ sollte damals die Hoffnung auf einen Spielzeughersteller in der Gegend symbolisieren. Obwohl dieser Plan nie wirklich Früchte trug, hat sich der Name „North Pole“ fest im Stadtbewusstsein verankert.

Die Straßen in North Pole sind alles andere als gewöhnlich. Sie tragen wohlklingende Namen wie Santa Claus Lane, St. Nicolas Drive, Kris Kringle Drive oder Snowman Lane – Straßennamen, die das festliche Ambiente des Ortes perfekt widerspiegeln. Hier fühlt man sich tatsächlich, als könnte man das ganze Jahr über Weihnachten feiern!

Die eigentliche Verbindung von North Pole zu Weihnachten entwickelte sich erst in den 1950er Jahren. Damals eröffnete ein junger Mann namens Con Miller eine Art Tauschgeschäft mit Weihnachtsartikeln in der Stadt. Vorher hatte er als der Weihnachtsmann für Kinder in abgelegenen Ortschaften Alaskas gespielt und sich so einen Namen gemacht.

Im Laufe der Jahre wuchs sein Laden zu einem riesigen Geschäft heran, das eine schier endlose Auswahl an Weihnachtsartikeln führt. In der Vorweihnachtszeit erreichen das Santa Claus House bis zu 400.000 Wunschzettel aus der ganzen Welt. Selbst wir konnten uns dem Zauber nicht entziehen und erstanden reichlich Weihnachtskitsch.

Aber das Beste daran ist: Man kann sich und seinen Lieben „echte“ Post vom Weihnachtsmann senden lassen. So überraschten wir nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Freunde mit Grüßen von Santa Claus. Unser eigener Brief enthielt sogar eine Urkunde über den Besitz von 1 Quadratzoll Land in North Pole. Die Briefe wurden pünktlich zur Weihnachtszeit versandt, sodass wir im Dezember eine charmante kleine Überraschung im Briefkasten hatten. Wer liebt keine Überraschungen?

Nach einem wunderbaren Tag, der uns von Chicken über den Tanana River bis nach North Pole geführt hatte, war es Zeit, zurück nach Fairbanks zu kehren. Der Himmel hatte sich mittlerweile in ein trübes Grau gehüllt, und wir hatten genug Weihnachtskitsch für dieses Mal eingekauft. Dennoch konnten wir nicht anders, als uns von der einzigartigen Atmosphäre dieses Ortes verzaubern zu lassen. North Pole hatte uns mit seiner festlichen Stimmung und der Geschichte rund um das Santa Claus House in seinen Bann gezogen.

Unser Hotel in Fairbanks lag nur noch etwa 20 Meilen entfernt, und auf dem Rückweg entschieden wir uns spontan, bei einem nahegelegenen Harley-Davidson-Händler anzuhalten. Dort fanden wir überraschend preisgünstige T-Shirts und nutzten die Gelegenheit, einige Andenken an diesen besonderen Tag mit nach Hause zu nehmen. Mit unseren neuen Errungenschaften im Gepäck und einem Herzen voller Vorfreude auf die kommenden Abenteuer in Alaska erreichten wir schließlich unser Hotel.

Nach unserer Rückkehr nach Fairbanks checkten wir in unser Hotel ein, in dem wir die nächsten vier Nächte verbringen würden. Das Hotel war durchaus schick und komfortabel, und von hier aus planten wir unsere Ausflüge zum Polarkreis und hofften, in Fairbanks die begehrten Polarlichter zu sehen. Die Chancen, Nordlichter zu beobachten, sollten besonders hoch sein, wenn man hier in Fairbanks übernachtete. Also beschlossen wir, die Gelegenheit zu nutzen und vier Nächte im Best Western Plus zu verbringen.

Nach einem erlebnisreichen Tag und dem Besuch von Chicken und North Pole hatten wir keinen besonders großen Hunger mehr. Daher machten wir uns nur noch auf einen kleinen Abstecher zu McDonald’s, um unseren Magen zu füllen. Mit Vorfreude auf die kommenden Abenteuer und der Hoffnung, die faszinierenden Polarlichter zu sehen, ließen wir den Abend ruhig ausklingen.

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