
Sand zwischen den Zehen, Regen im Rückspiegel und Burger zum Mittagessen
Der Tag begann… früh. Sehr früh.
So früh, dass selbst die Vögel dachten: „Lass die mal machen.“ Während sich im Camper noch alle in ihre Decken eingekuschelt hatten wie Frühlingsrollen auf Urlaubsverlängerung, schlich ich mich hinaus – bewaffnet mit Kamera und der Hoffnung, dass meine Schritte auf dem Kiesboden niemanden wecken. Der direkte Zugang zu den Sanddünen war dabei wie ein VIP-Eingang ins Naturkino. Kein Ticket nötig, keine Menschenmassen, keine nervigen Platzanweiser – nur ich, die Kamera, und diese ehrfurchtsvolle Stille, die so leise war, dass selbst meine Gedanken plötzlich im Flüstermodus liefen.


Die Sonne ließ sich anfangs noch bitten – ganz Diva –, doch dann kam sie in Bewegung: langsam, würdevoll, wie eine Opernsängerin beim letzten Auftritt. Der Horizont wurde erst in pastelliges Rosa getunkt, dann griff jemand zu kräftigem Orange und verteilte großzügig Goldglanz über die Dünen.
Ich lief ein Stück durch die noch kühle Wüste, machte Fotos – eins, zwei, fünfzig… man weiß ja nie, welches das „perfekte“ ist – und ließ mich einfach treiben.

Langsam meldete sich der Hunger. Und zwar nicht nur so ein kleines „Hmm, ich könnte was essen“-Murmeln, sondern ein ausgewachsenes „Jetzt aber flott zurück zum Camper“. Also ging ich zurück zum rollenden Zuhause.
Dort herrschte inzwischen reges Leben: Die Kaffeemaschine blubberte im Takt, Cornflakes raschelten in ihren Tüten, jemand fragte (zum dritten Mal), ob jemand einen einzelnen Schuh gesehen habe – kurz: Alltag im Miniformat. Campingplatz-Realität zwischen Teelöffeln, Kindersocken und Müslischalen.

Nach dem Frühstück zogen wir alle noch einmal los – ein letztes Mal hinein in die endlose Welt aus goldenen Wellen und knirschender Stille. Ein letztes Mal Sand im Schuh, ein letztes Mal Staunen, ein letztes Mal „Wahnsinn, wie schön das hier ist“.
Noah rannte los, als hätte ihn der Wind zum Spielkameraden gewählt. Barfuß, fröhlich und mit einer Energie, die Erwachsene neidisch macht. Emilia plumpste in den Sand, als sei er ein riesiges Kuschelkissen, und begann eifrig mit dem Buddeln von Löchern, die vermutlich das Fundament für ein Sandpalast waren – oder zumindest für ein imaginäres Eichhörnchen-Hotel.
Wir zogen ebenfalls die Schuhe aus – nur um festzustellen, dass Wüstensand am frühen Morgen eher einem Kältekammer-Erlebnis gleicht als einem Wellness-Spaziergang. Eben nicht das Meer, sondern die Berge. Die Sonne kämpfte sich noch über die Gipfel, der Sand wartete geduldig auf sein Wärme-Update.
BILDERGALERIE: Great Sand Dunes National Park
Fast zwei Stunden verbrachten wir so – spielend, staunend, schweigend. Einfach da. Kein WLAN, keine Termine. Nur Sand, Licht und das Gefühl, gerade genau am richtigen Ort zu sein.
Als wir schließlich zurückkamen, war der Camper noch immer schief, aber auf charmante Art. Der große Stein unter dem einen Rad, den die Männer am Vortag mit liebevoller Improvisationskunst dort platziert hatten, hatte seinen Job gemacht: Der Camper stand wackelig, aber standhaft. Und irgendwie passte das auch ganz gut zu uns.

Dann hieß es: Abschied nehmen. Zurück in den Camper. Alles verstaut, alle angeschnallt, das letzte Sandkorn aus den Socken geklopft (Spoiler: unmöglich), und dann: Motor an. Die sanften Dünen verblassten im Rückspiegel, während wir uns – langsam, fast ehrfürchtig – auf den Weg nach Norden machten. Richtung Denver.
Unser Plan war eigentlich romantisch-abenteuerlich. Ein letzter Stopp im sagenumwobenen Garden of the Gods. Rote Türme, die in den Himmel ragen, als wollten sie ein paar Wolken festhalten. Das perfekte letzte Natur-Sahnehäubchen. Tja. Nur blöd, dass sich das Wetter wie ein schlecht gelaunter Dramaturg verhielt.
Regen. Wind. Noch mehr Regen. Dunkle Wolken, als hätte jemand versehentlich den Weltuntergang auf „frühzeitig starten“ gestellt. Die Straßen wurden rutschig, die Sicht minimalistisch – und wir entschieden uns schweren Herzens: Kein Garden of the Gods heute. Schade, aber: Wir wollten ja Erinnerungen, keine Aquaplaning-Erfahrung.
Plan B: Castle Rock Outlet. Und plötzlich war die Stimmung wieder oben. Die Kinder jauchzten, die Erwachsenen zuckten mit den Schultern – und machten mit. Neue Shirts, neue Schuhe, neue „Ach komm, das nehme ich noch mit“-Momente. Und als das Shopping-Herz langsam zur Ruhe kam, kam das kulinarische.

In-N-Out Burger. Was für ein Abschiedssnack! Burger und Pommes – das heilige Duo amerikanischer Fastfood-Kunst. Noahs freute sich über seinen Lieblings-Burger, Emilias Hände sahen aus wie ein abstraktes Ketchup-Gemälde. Es war laut, lecker, chaotisch – kurz: perfekt.
Während draußen die Regentropfen gegen die Fenster klopften, saßen wir drinnen, kauten, lachten – und wussten: Das war kein schlechter Ersatzplan. Das war ein Roadtrip-Endspurt mit Stil.
Während Nadine mit Oli und den Kindern noch einmal zu Nike huschte – vermutlich in der Überzeugung, dass sich irgendwo im Koffer noch ein Schlupfwinkel für ein weiteres Paar Sneaker auftun würde – verwandeln Stefan und ich den Camper in ein logistisch anspruchsvolles Koffer-Tetris-Spielfeld.


Jede freie Ecke wurde zur strategischen Ablagefläche. Schuhe verschwanden hinter Schranktüren, T-Shirts wurden gerollt wie Sushi, Souvenirs vorsichtig zwischen Pullover und Zahnbürstentasche verkeilt. Ein Hut saß auf dem Armaturenbrett wie der Kapitän auf der Brücke, und irgendwo zwischen Zahnpasta und Ladegerät lauerte ein USB-Kabel, das sich nicht mehr zuordnen ließ. Kurz gesagt: alles musste rein – nichts durfte rausgucken. Denn morgen ist es so weit: Heimflug.
Der Tag, vor dem man sich heimlich ein bisschen drückt, obwohl man sich gleichzeitig freut. Diese seltsame Mischung aus Fernweh, Erschöpfung, Vorfreude und leichtem Jetlag-Vorgriff. Morgen endet das Abenteuer – aber heute? Heute war nochmal alles drin.
Und wir wissen: Nach dem Abenteuer ist vor dem Abenteuer. Der nächste Urlaub? Schon gebucht. In exakt sechs Monaten geht’s wieder los. Mit Sack und Pack (diesmal aber mit Hotel) – und mit der ganzen Truppe zurück nach Las Vegas. Denn wer einmal Roadtrip sagt, muss auch „Fortsetzung folgt“ denken.
Da wir für die letzte Nacht noch keinen Campingplatz vorgebucht hatten – und wir bekanntlich die Meisterdisziplin „Wir machen das spontan“ perfektioniert haben – zückten wir kurzerhand das Handy. Ein bisschen Scrollen, ein paar Klicks, ein kurzer Abgleich mit dem Bauchgefühl, und zack: Casey’s RV Hideaway klang gut. Waldnähe, Natur pur, kein Schnickschnack – passt. Buchung durch, Adresse ins Navi, Abfahrt.
Nachdem Nadine, Oli und die Kinder samt Nike-Tüte und breitem Grinsen vom Shopping zurückkehrten, machten wir uns auf den Weg. Und dann wurde es… interessant.

Denn Casey’s RV Hideaway ist weniger Campingplatz im klassischen Sinne, sondern mehr: „stell deinen Camper in den Wald und schau, was passiert“. Kein Licht weit und breit, nur die Geräusche des nächtlichen Waldes, das Knacken von Ästen – und wir, die sich mit Stirnlampen und Handytaschenlampen aufmachten, Dusche und Waschräume zu suchen wie eine Mischung aus Indiana Jones und Glamping-Light.
Irgendwann fanden wir sie tatsächlich. Und wie das so ist, wenn man mit halb schlaftrunkenen Kindern durch stockdunkle Pfade tappt, wurde daraus natürlich ein kleiner Abenteuerlauf – inklusive „Ist das da vorne ein Waschhaus oder ein Bärenversteck?“-Debatten. Spoiler: Es war das Waschhaus.
Zurück am Camper hieß es dann: letztes Aufräumen, letzte Rollen T-Shirts, letzter Versuch, die Zahnbürste nicht ganz unten im Koffer zu verstauen. Ein letzter Blick in den Nachthimmel, ein tiefes Durchatmen – und dann ab ins Bett.
Morgen fahren wir weiter Richtung Denver – zur Camperabgabe. Aber bis dahin? Genießen wir noch dieses letzte Quäntchen Wildnis, Dunkelheit und Improvisation. Ein passendes Ende für einen Roadtrip, der alles hatte – sogar eine kleine Nachtwanderung mit Taschenlampe.